Schülerinnenbericht: Exkursion zur Gedenkstätte Hadamar

Unsere Exkursion zur Gedenkstätte Hadamar startete um circa 9 Uhr an der Schule. Nach einer knapp einstündigen Fahrt sind wir dann in Hadamar angekommen und haben erste Eindrücke der Gedenkstätte wahrgenommen. Wir bemerkten, dass nur wenige Meter entfernt von der damaligen „Irrenanstalt“ eine neue Psychiatrie eingerichtet wurde. Diese Tatsache hat uns alle doch stark verwundert – bei dieser Geschichte.

Die „Irrenanstalt“ Hadamar ist in der Zeit des Bevölkerungswachstums des ausgehenden 19. Jahrhunderts gegründet worden. Durch das Anwachsen von Rand- und Problemgruppen ist es im Sicherheitsinteresse des Staates gewesen, geistig und seelisch gestörte Menschen in solche Anstalten einzuweisen, um sie zu „heilen“. Sie wurde 1883 auf dem Mönchsberg gegründet, erst 1920 wurde sie ganz als Heil- und Pflegeanstalt gelegt.

Mit der Zwangssterilisierung auf Grundlage des „Gesetzes zur Verhütung erkrankten Nachwuchses“ begann die Verfolgung von Menschen mit Behinderungen und psychischen Erkrankungen durch das nationalsozialistische Regime. Das Gesetz besagte, dass alle Menschen aufgrund von Diagnosen wie zum Beispiel „angeborenem Schwachsinn“ zwangssterilisiert werden mussten, um eine Ausbreitung von Menschen mit dieser Krankheit zu unterdrücken. An diesem Beispiel sieht man wie willkürlich solche Diagnosen getroffen wurden. Für die in Deutschland circa 400.000 Menschen, die solch eine Sterilisation hinter sich hatten, bedeutete dies eine Verstümmelung und lebenslange Scham.

1939, zu Beginn des zweiten Weltkrieges wurden die Patientinnen und Patienten in andere Anstalten verlegt und Hadamar wurde zu einem Reservelazarett eingerichtet. Um die Landesheilanstalt für die sogenannte T4-Aktion (systematische Ermordung von Menschen mit körperlichen und geistigen Behinderungen) einzusetzen, wurde sie Ende 1940 umgebaut. Hier wurden dann die Busgarage, zwei Verbrennungsöfen, ein Sezierraum sowie die Gaskammer errichtet. All diese Räume haben wir dann nacheinander besichtigt. Als erstes sind wir in die Busgarage gegangen. Diese ist mit drei Toren versehen, sodass drei Busse hineinfahren konnten. Die Patientinnen und Patienten wurden aus den Zwischenanstalten von den berüchtigten grauen Bussen abgeholt und nach Hadamar gebracht. Hierbei ging es um Menschen, die als weniger wertvoll galten, solche die „angeborenen Schwachsinn“, Schizophrenie, „zyklischen Irrsinn“ (bipolar, manisch-depressiv), „Fallsucht“, „Veitstanz“ (Chorea Huntington), Blindheit, Taubheit sowie schwere körperliche Missbildungen hatten. In der Garage angekommen wurden sie durch einen aus Holz gebauten Durchgang auf direktem Weg in die Anstalt geführt, ohne jemals auch noch einmal frei  an der frischen Luft zu sein. Als die Klasse in der Busgarage angekommen war, haben sich alle erst einmal umgeschaut. Anfangs haben wir kaum realisiert, wo wir gerade standen. Man merkte mit der Zeit, auch wenn sie nur kurz war, die wir in der Garage standen, dass mehr und mehr die Schwere dieses Raumes auf uns alle wirkte und wir leiser und nachdenklicher wurden. Anschließend sind wir in das Hauptgebäude gegangen. Die Patienten haben dann, dort angekommen, wo wir jetzt standen, die Anweisung erhalten, sich zu entkleiden und dem Arzt vorzustellen. Dieser bestimmte schon zu diesem Zeitpunkt, welch banalen „natürlichen“ Todesursachen er den Menschen in der auszustellenden Sterbeurkunde zuweisen konnte.

In dem Museum wurden einige dieser Todesursachen vorgestellt. Eine Frau, die sofort nach ihrer Ankunft getötet worden war, starb so zum Beispiel an Wundinfektion und Blutvergiftung, obwohl die vorher noch nicht bekannt war. Nachdem sie von dem Arzt untersucht worden sind, wurden die Patienten von den Krankenschwestern in die Gaskammern im Keller geführt. So sind auch wir dann in den Keller gegangen und haben uns diese Räumlichkeiten angesehen. Die Klasse war in diesem Moment sehr in sich gekehrt und ruhig; da jeder die Bedeutung und die Geschehnisse, die dort passiert sind, richtig realisiert hat.

Wir bemerkten, dass der Boden von dem Ausgang der Gaskammer bis zu den Verbrennungsöfen (Krematorien) anders war. Er fühlte sich weicher an. Uns wurde dann erklärt, dass das die sogenannte Schleifbahn ist. Diese war zum leichten Ziehen der toten Menschen gedacht, sodass die Arbeiter, welche die Leichen verbrannten, es leichter hatten. Auf diese Wege starben über 10.000 Menschen vom 13. Januar bis zum 24. August 1041 in Hadamar. Dies geschah im Rahmen der ersten Mordphase. Danach wurden die Öfen beseitigt, damit kein Verdacht entstehen konnte, denn die Zustände in Hadamar waren öffentlich benannt worden. Die Tötungsanstalt Hadamar machte also ein Jahr Pause, übernahm aber in der zweiten Mordphase erneut die Funktion als Tötungsanstalt. Diese Phase beinhaltete eine neue Taktik: Ärzte und Oberschwestern entschieden morgens, welche Patienten sterben sollten und markierten diese dann. Am Abend verabreichte die Nachtschwester diesen dann eine tödlich wirkende Medikamentendosis üblicher Schlafmittel (Veronal o.ä.).

Die Leichen wurden in Massengräbern verschafft – getarnt als normaler Anstaltsfriedhof. Von August 1942 bis März 1945 starben so noch einmal 4.500 Menschen. Auch zu dem Friedhof sind wir gelaufen, er ist einige Meter entfernt durch einen Treppenweg erreichbar. Diese zwei Mordphasen der Nationalsozialisten werden als NS-„Euthanasie“-Morde bezeichnet. Eine Wiedergutmachung für die Opfer der „Euthanasie“-Verbrechen und der Zwangssterilisationen hat bis heute nicht ausreichend stattgefunden, da die Geschädigten nicht als rassisch, religiös oder politisch Verfolgte im Sinne des Bundesentschädigungsgesetzes gelten. Für die zwangsweise Sterilisierten in der NS-Zeit gab es seit 1980 eine einmalige Abfindung im Wert von 5.000 DM, als Härteausgleich. Kinder von Ermordeten der „Euthanasie“-Verbrechen und Überlebende aus den Anstalten erhielten keine finanziellen Hilfen. 1987 wurde daher ein Verband gegründet, der sich für die Opfer einsetzt und für eine angemessene Entschädigung kämpft.

Als letzten Raum im Keller sind wir in den Sezierraum gegangen. Hier wurden den Menschen Organe für wissenschaftliche Zwecke entnommen. Und teilweise auch, falls vorhanden, vergoldete Zähne entnommen, um sich selbst noch an den Toten zu bereichern.

In der Gedenkstätte Hadamar steht seit 1990 eine Glocke mit der Inschrift „Zum Gedenken“, um an die Opfer der Morde zu erinnern und ihrer zu gedenken.

Der Tag in Hadamar war sehr aufschlussreich und hat uns die gesamte Situation der damaligen Zeit viel näher gebracht. Durch die Unterrichtseinheiten und die Zeitzeugengespräche hatten wir schon ein gewisses Grundwissen, doch wenn man genau an dem Ort steht, an dem vor nicht allzu langer Zeit solche grausamen Dinge geschehen sind, ist das doch noch mal etwas Anderes. Man schaut jetzt mit ganz anderen Augen auf das Thema, hat einen verstärkten Respekt vor der damaligen Zeit und ist dankbar, dass wir in der heutigen Zeit aufwachsen und hoffentlich nie ein derart grausames Leid erfahren müssen.

von Larissa (10. Klasse)